Tipps zur Mitarbeitermotivation: Vorbildfunktion

Vor ein paar Tagen ist das passiert, was ich unbedingt vermeiden wollte. Mein dreieinhalbjähriger Sohn und ich sitzen in seinem Kinderzimmer auf seiner Spielmatte und bauen seine Holzeisenbahn auf. Schiene für Schiene, Teil für Teil. “Nein Papa, hier kommt die Brücke hin” und “Ich baue hier eine Kurve und du da hinten”. So dirigiert er mich und sagt mir wie er die Schienen gerne hätte. Da wir zwei unterschiedliche Bausätze haben, passen die Teile manchmal nicht so wie sie passen sollten und man muss ein wenig nachhelfen. Bei einer Situation übertreibe ich es und das Verbindungsteil bricht. “Schei…”, sage ich laut und halte mir im selben Moment die Hand vor den Mund. Denn mein Junior schaut mich an und sagt “Schei…”. Ein tolles Vorbild bist du Thorsten, denke ich mir.

Role Model – ein Vorbild sein, wird von vielen unterschätzt. Speziell im Business-Bereich vergessen Führungskräfte oft, welche Verantwortung sie haben. (Bild: Canva)

Auch als Erwachsene orientieren wir uns an anderen und eifern diesen (sogenannten) Vorbildern nach.

Thorsten Jost

Sowohl Eltern als auch Führungskräfte unterschätzen oft was es bedeutet Vorbild zu sein. Das Wort “Sch…” ist mir rausgerutscht und das kann durchaus passieren. Glücklicherweise hat es mein Sohn nicht in seinen alltäglichen Sprachgebrauch mit aufgenommen. Unabhängig davon, wird sich das sowieso nicht vermeiden lassen, so ehrlich muss man sein. Trotzdem gibt es Dinge, die eine Führungskraft nicht tun sollte. Beispiel: Ein ehemaliger Vorgesetzter von mir hat von uns Mitarbeitern verlangt uns gegenseitig zu respektieren und wertzuschätzen. Nach einem Vorfall zwischen zwei Kollegen bat er uns alle, dass ein gegenseitiges Anschreien untersagt sei. Keine drei Tage später stapfte der Chef durch die Büros und machte einen Mitarbeiter auf Übelste zur Schnecke. Laut. Respektlos. Mit aus der Luft gegriffenen Vorwürfen und wenig schmeichelhaftem Vokabular. Welche Wirkung hat das auf einen Mitarbeiter, der das mitbekommt? Mein Gedanke war: “Du verlangst von uns Respekt und selbst hältst du dich überhaupt nicht daran.”

Vorbild heißt mit gutem Beispiel vorangehen

Zum Thema Vorbildfunktion erinnere ich mich an eine Geschichte aus meiner Zeit als Seefahrer. Insgesamt war ich sechs Jahre Crew Mitglied an Bord von AIDA Cruises und habe dort ein internationales Team geführt. In meinem Buch “Alle in einem Boot – Was Führungskräfte von Seefahrern lernen können” erzähle ich unter anderem eine Story die sich kurz vor Venedig zugetragen hat. Diese Geschichte zeigt sehr gut, wie respektvoll der Umgang untereinander war.

Schönen guten Morgen liebe Gäste, hier spricht Ihr Kapitän. Wie Sie sehen, befinden wir uns nicht im Hafen von Venedig sondern liegen vor der Stadt auf Position. Leider können wir nicht durch den Canal Grande fahren, weil dort ein kleines Boot gesunken ist. Da wir die genaue Position des gesunkenen Bootes nicht kennen, ist es uns nicht möglich, den Kanal zu durchfahren. Wir warten aktuell auf weitere Informationen seitens der Hafenbehörde. Sobald ich die habe, melde ich mich wieder bei Ihnen. Ihr Kapitän.

Aus dem Buch “Alle in einem Boot – Was Führungskräfte von Seefahrern lernen können

Wir sollten an diesem Samstag Morgen eigentlich im Hafen von Venedig einlaufen. Venedig ist der Höhepunkt auf der Adria Reise. Dementsprechend haben sich die Gäste sehr auf diesen Tag gefreut. Leider war eine Einfahrt nicht möglich und der Hafen drohte auszufallen. Die Reisenden waren entsprechend angefressen – auch wenn von Bordseite keiner etwas dafür konnte. Irgendwo mussten sie allerdings ihren Frust ablassen. Um das zu vermeiden hat der Kapitän ein paar Minuten nach seiner ersten Durchsage und nach Absprache mit dem General Manager “Open Bar” ausgerufen. Kurz gesagt: Eine Stunde konnten die Gäste alle Getränke an den Bars KOSTENFREI bestellen. Das ist in der Regel nicht üblich und wird nur im äußersten Ausnahmezustand ausgerufen. Genau an diesem Punkt standen wir und somit war innerhalb von wenigen Minuten an den Bars die Hölle los.

Als Entertainment Manager war ich Hotel Offizier an Bord von AIDA Cruises. Im Bild stehe ich neben Kapitän Volker Baumgart (Mitte) und General Manager Wolfgang Ulmer (links). Der Unterschied zwischen Hotel Offizier und nautischem Offizier ist die Farbe der Streifen auf der Schulter. Der Kapitän hat vier goldene Streifen, der General Manager und ich silberne. (Foto: Thorsten Jost)

Die Offiziere müssen ran

Wenn plötzlich 2400 Gäste verteilt vor 13 Bars stehen, dann ist das für die Crew Kollegen eine Mammut Aufgabe. Besser gesagt: Die Kollegen hinter den Bars schwammen nicht, sie soffen ab. Meine Offizierskollegen und ich haben nicht lange gefackelt und uns auf sämtliche Bars an Bord verteilt um den Barkeepern unter die Arme zu greifen. Nun muss man wissen: Weder ich, noch die meisten meiner Damen und Herren Offiziere haben einen Bar-Hintergrund. Wir begnügten uns deswegen mit einfachen Aufgaben, wie die Knöpfe auf der Kaffeemaschine zu drücken, Weißbier einschzuenken (das liegt mir als Bayer sehr gut) oder die Gläser und Tassen einzusammeln und in die Spülmaschine zu stapeln.

Die Gäste standen in mehreren Reihen vor den Bars und haben bestellt was das Zeug hält. Wer will es ihnen verdenken. Der Frust über den Hafenausfall von Venedig musste ertränkt werden. Für uns Mitarbeiter war das eine Stunde volles Programm anpacken. Es war aber auch eine Stunde, in der wir in einen Flow gerieten. Wir arbeiteten Hand in Hand und es lief am Ende alles super. Es lief so gut, dass wir an allen Bars tosenden Applaus bekamen. Und wir Crew Mitglieder wuchsen an diesem Vormittag noch stärker zusammen.

Nicht meckern sondern anpacken

An diesem Tag hat sich nicht nur gezeigt, dass die Crew Familie zusammenhält und sich gegenseitig unterstützt. Für mich gab es mehrere Erkenntnisse. Ich hatte nach dieser Stunde noch mehr Respekt vor den philippinischen, indonesischen oder indischen Kollegen die (meist) hinter den Bars eingesetzt werden. Was die Jungs und Mädels da leisten ist Multitasking auf höchstem Niveau: Bestellung entgegennehmen, Cocktail vorbereiten, Zutaten zusammenstellen, Cocktails ausgeben. Und all das in atemberaubenden Tempo und mit einem Lächeln auf den Lippen.

Eine weitere Erkenntnis war die Tatsache, dass in Ausnahmesituationen, sprich wenn “Die Hütte brennt”, nur eines entscheidend ist: Schnellstmöglich eine Lösung finden und nicht auf Problemen herumreiten. Keine Diskussionen. Kein Gemecker. Sondern anpacken.

Die Wichtigkeit der Vorbildfunktion darf nicht unterschätzt werden

Sehr entscheidend ist die Erkenntnis, was es bedeutet ein Vorbild zu sein. Denn für die Kollegen hinter den Bars war es auch nicht selbstverständlich, dass plötzlich die oberste Management-Riege, die Offiziere an Bord, mit ihnen hinter der Bar stehen und sie bei der Arbeit unterstützen. Das heißt auch, dass wir Respekt erfahren durften und unseren Mitarbeitern gezeigt haben, dass wir an ihrer Seite stehen, wenn es hart auf hart kommt. Dass wir uns nicht zu schade sind eine Arbeit zu erledigen, die normalerweise nicht in unserem Aufgabenbereich liegt.

Vortragsredner Thorsten Jost

Für alle die gern mehr spannende Seefahrer Stories hören und sich von meinen Erfahrungen als Führungskraft an Bord eines Kreuzfahrtschiffes inspirieren lassen möchten, können sich gern über das Kontaktformular an mich wenden. Als Vortragsredner gebe ich wunderbare Einblicke und unterhaltsame Stories zum Besten, wie beispielsweise in dem Vortrag “Auf stürmischer See musst du dich auf die Crew verlassen können“.

Meine Erkenntnisse nach dieser prägenden Zeit an Bord würde ich gern mit Ihnen teilen, denn: Menschen begeistern ist einfach!

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